Von der Pflicht zur Chance: Die Nachhaltigkeitsperspektive für KMU
Interview auf Anfrage der vmm-medienagentur zum 30-jährigen Bestehen der Wirtschaftsplattform: Expertin Sandra Braeucker von NAMACON erklärt, warum nachhaltiges Management auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) erfolgsrelevant ist.
Was genau versteht man unter einem Nachhaltigkeitsbericht und spielt er auch eine Rolle für kleine und mittelständische Unternehmen?
SANDRA BRAEUCKER: Nachhaltiges Management ist gerade für KMU erfolgsrelevant, denn es hat neben den grundlegenden Aspekten der Unternehmenspolitik einen besonderen Einfluss auf die Klima- und Arbeitsmarktresilienz des Unternehmens. Ein Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert neben den wirtschaftlichen Daten auch ökologische, soziale und ethische Einflüsse und Aktivitäten in einem Geschäftsjahr. Er veröffentlicht, wie ein Unternehmen Nachhaltigkeit in seine Geschäftspraktiken oder sogar in sein Geschäftsmodell integriert. Das interessiert Banken, Versicherungen, Kunden und immer häufiger auch Mitarbeitende. Auslöser der Betrachtung können unterschiedlich sein: Zunächst kann ein Unternehmen schlicht durch EU-Gesetzgebung dazu verpflichtet sein, im Rahmen eines Berichtes Auskunft zu erteilen. Das hängt von der Anzahl der Mitarbeitenden, dem Umsatz und der Bilanzsumme, aber auch von der Gesellschaftsform ab. Fällt ein KMU nicht darunter, kann es allerdings schon allein durch den Berichtsdruck, der innerhalb seiner Lieferkette besteht, betroffen sein. Das heißt, das Unternehmen wird von seinen Kunden regelmäßig aufgefordert, Nachhaltigkeitsdaten zu veröffentlichen. Da greift der sogenannte „Trickle-Down-Effekt“. Dieser zeigt sehr anschaulich, dass die Erwartung an das Management stark zunimmt.
Welche häufigen Missverständnisse über Nachhaltiges Management begegnen Ihnen bei KMU, und wie können diese
ausgeräumt werden?
BRAEUCKER: Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der für Unternehmertum und Weitsicht steht. Seine Stärken zu kennen, seine Risiken zu erkennen und danach zu handeln. Das heißt: Investition in Innovation zu planbaren Kosten. In dieser Ausformulierung sind sich alle einig. Mir begegnen aber auch noch häufig Menschen, deren Bild von Nachhaltigkeit ein politisches ist und die Nachhaltigkeitserklärungen mit der damit leider einhergehenden Bürokratie gleichsetzen. Tatsächlich kann man über Haltung sprechen und Überzeugungen austauschen. Im Sinne des Unternehmertums ist Nachhaltigkeit allerdings schon immer eine Notwendigkeit.
Das Erstellen einer nachhaltigen Strategie klingt zunächst wie ein großer bürokratischer Aufwand. Wie können gerade kleine und mittelständische Unternehmen den Prozess möglichst kosteneffizient und reibungslos beginnen?
BRAEUCKER: Kosteneffizienz ist ein wichtiges Stichwort. Es gibt ein paar Fallen, die man von vornherein meiden kann. Das spart Zeit, Geld und sichert die Akzeptanz innerhalb der Belegschaft. Fokussieren: Eine strukturierte Vorbereitung mit Fokus auf die individuellen wesentlichen Gegebenheiten der Firma liefert von Beginn an das erste mögliche Zielbild. Kräfte bündeln: Die Konzentration auf das Machbare ist der richtige Einstieg und sollte durchgehalten werden – eine Projektmanagementaufgabe. Es empfiehlt sich für KMU, zunächst bestehende Datenquellen zu nutzen und sich auf die für sie wichtigen Nachhaltigkeitsthemen zu konzentrieren. Eine schrittweise Annäherung und der Einsatz von digitalen Tools zur Datenerfassung und -analyse können den Aufwand minimieren und zusätzlich Kosten senken.
Environmental: Umweltschutz und Ressourceneffizienz
Wie können bereits bestehende Prozesse und Daten genutzt werden, um die Erstellung
von Nachhaltigkeitsberichten zu erleichtern?
BRAEUCKER: Bestehende Prozesse, wie Umweltmanagement- oder Qualitätsmanagementsysteme, sind natürlich eine gute Basis. Indikatoren aus diesen Systemen können in der Regel direkt in den Bericht integriert werden. Es empfiehlt sich gerade hier, Automatisierungslösungen, sogenannte Datenmanagement-Lösungen, zu nutzen: Der jährliche Ausweis im Lagebericht wird damit zu einem gewohnten Standard.
Welche langfristigen Vorteile und Chancen ergeben sich zum Beispiel für Wettbewerbsfähigkeit,
Marktstellung oder das Ansehen?
BRAEUCKER: Ziel muss es grundsätzlich für Unternehmen sein, aus dem Kostenfaktor den Umsatzfaktor zu entwickeln. Die Zukunft bietet eine Fülle neuer Möglichkeiten. Es gibt aus meiner Sicht daher grundsätzliche Fragen, die sich das Management stellen sollte. Erstens: Passen die Kompetenzen und Ressourcen meines Unternehmens noch in die wahrscheinliche Zukunftsperspektive? Passt mein Produkt bzw. meine wirtschaftliche Tätigkeit noch zum Bedarf des Marktes? Wer darauf Antworten hat, kann seine Ziele realistisch gestalten. Es gibt enorm viele neue Bedürfnisse und Konstellationen. Das erkennen immer mehr Firmen. Die PAC-Studie veröffentlichte 2023, dass sowohl die neuen EU-Vorgaben als auch das Erkennen der Wettbewerbsfähigkeit des Geschäftsmodells die zwei wesentlichen Treiber von Nachhaltigkeitsmanagement sind. Auch bei der Auswahl von Zulieferern belegte das Kriterium Nachhaltigkeit in der Studie eine herausragende Rolle, weit vor den Punkten Preis oder Bestehende Geschäftsbeziehung. Die zweite Frage ist: Wie kann ich meine Energie- und Ressourceneffizienz verbessern und zukünftig kalkulierbar machen? Gibt es technische Entwicklungen, die meine Ressourcenauslastungen verbessern? Und die dritte Frage zielt auf die soziale Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor: In welchem Maße und wie will ich das Thema für Fachkräftegewinnung und -sicherung gestalten? Sich diesen Zukunftsfragen zu öffnen, ist die Herausforderung und gleichzeitig die Chance, um seinen wirtschaftlichen Erfolg zu sichern.
Wettbewerbsfähigkeit durch neue Geschäftsmodelle
Ein Nachhaltigkeitsbericht kann auch im Risikomanagement eine wichtige Rolle spielen. Welche Risiken lassen sich durch einen solchen Bericht besser identifizieren und möglicherweise sogar minimieren?
BRAEUCKER: Risiken zu bewerten und ihnen aktiv zu begegnen, ist ein wesentlicher wirtschaftlicher Punkt. Sowohl Risiken entlang der Abhängigkeiten in der Wertschöpfungskette als auch Risiken im Geschäftsmodell selbst. Unternehmen besitzen eine Fülle zukunftsrelevanter Daten. Die Übersicht gibt Orientierung und ermöglicht aktives Handeln und Steuern. Durch die systematische Erfassung von nachhaltigkeitsrelevanten Daten können sie Haftungsrisiken – wie Umweltverstöße, Bedrohungen, Lieferkettenunterbrechungen, Kostenentwicklungen, Ressourcenengpässe, Erwartungsveränderungen der Kunden oder Reputationsschäden – grundsätzlich frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Dies hilft, ungeplante Transaktionskosten oder sogar Verluste zu vermeiden und sichert Investitionsflüsse und Ertragspläne. Übrigens ist manchen Geschäftsführern gar nicht klar, dass sie bei Nichterfüllung von EU-Vorgaben auch in der Haftung stehen können.
Wie können kleine und mittelständische Unternehmen sicherstellen, dass ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten transparent und glaubwürdig sind?
BRAEUCKER: Die Wahl des passenden Berichtsstandards nach Unternehmensgröße und Zielsetzung sorgt automatisch für die transparente Darstellung ihrer Aktivitäten. Ende 2024 kommen für KMU hilfreiche neue Standards heraus, die dem aktuellen Fragebogen-Auswuchs ein Ende bereiten. Wer neu beginnt, muss sich keine Sorgen machen, alle Daten und Fragen vollständig beantworten zu müssen. Es kommt zunächst darauf an, das Bewusstsein für die Berichtspunkte zu entwickeln und glaubhaft darzustellen. Bei berichtspflichtigen Unternehmen testiert das die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Eine offene Kommunikation über Fortschritte und Herausforderungen schafft Transparenz. Und das widerum schafft Vertrauen bei allen Stakeholdern – Kunden, Lieferanten, Investoren/Banken, Belegschaft, etc. Beides ergibt sich aus einem nachhaltig geführten Unternehmen.
Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie künftig bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung?
BRAEUCKER: Zukünftig wird die Bedeutung von Nachhaltigkeitsberichten weiter zunehmen. Die Dimensionen werden zu einem obligatorischen Ganzen verschmelzen, insbesondere weil Bayern und Deutschland eine Vorreiterrolle in der EU einnehmen wollen. Neben den eben genannten Entwicklungsfragen spielt Nachhaltigkeit heute schon eine relevante Rolle für den Markenwert und die Kundenloyalität etlicher Firmen. Das Thema finanzielle Nachhaltigkeit wird zunehmend interessant werden. Die Herausforderung ist bei vielen KMU hier in der Region bereits angekommen. Die Entwicklung oder gar Transformation gelingt durch ihre Orientierungs- und Umsetzungsstärke. Dabei bieten regionale Institutionen und Verbände, wie die Kammern und die Regio Augsburg Wirtschaft, Unterstützung. Diejenigen, die noch zögern, sollten sich durch zielgenaue Weiterbildung und den Einsatz moderner Technologien auf den Weg machen.
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